Mittwoch, Juli 19, 2006

Denn sie wissen nicht was sie tun...

Dienstag 18.7: Da ich in letzter Zeit fast ausschließlich auf Karpfen gefischt habe, stand für heute wieder einmal eine Matchsession auf dem Programm, um den Umgang mit feinem Gerät nicht zu verlernen. So hieß es um 4Uhr Früh Tagwache, da ich die beste Fangzeit im Hochsommer, die Morgendämmerung, nicht verpassen wollte. Voll motiviert hatte ich am Abend bereits mein Equipment hergerichtet, um meine Freundin nicht durch den Lärm in der Früh zu wecken. Sicherheitshalber hatte ich auch meine Räuberrute eingepackt ,da ich nebenbei vorhatte einen Köderfisch auf Hecht auszulegen. Also Tackle geschnappt und runter zum Auto. Beim Aufsperren meiner Heckklappe dann die erste Ernüchterung. Irgendein lustiger Scherzbold hatte es in der Nacht für äußerst befriedigend empfunden, mir meinen Heckscheibenwischer aus reiner Lust abzubrechen. Einmal in meinem Leben mag ich so einen witzigen Menschen bei solchen sinnlosen Vandalenakten erwischen. Gnade ihm Gott. OK - was solls. Ich konnte im Moment sowieso nichts daran ändern und so ließ ich mir meine gute Stimmung durch dieses Ereignis nicht verderben. Im Dunkel der Nacht fuhr ich ans Gewässer. Um 4:30 hatte ich meinen Spot erreicht und begann sogleich mir einige Köderfische zu stippen, was sich mit einem Haufen Maden im Gepäck als nicht sonderlich schwer herausstellte. Also 15er Laube mittels Rückenköderung an den Einzelhaken und raus dicht neben die Seerosenfelder. Dort mußte früher oder später ein Genosse Esox vorbeikommen. Von nun an konzentrierte ich mich voll auf die Matchfischerei, rollte meine Futterbälle aus Maisschrot, geröstetem Hanf, Kürbiskernmehl, Castern und Grundfuttermischung, und beförderte vor dem Angelbeginn gleich mal 6 tennisballgroße Bälle mittels Schleuder an meinen angestrebten Futterplatz. Am Wasser herrschte eine beeindruckende Stimmung, dicke Nebelschwaden krochen über die glitzernde Oberfläche und die langsam aufgehende Sonne tauchte die Vegetation in ein fremd wirkendes purpurnes Rot. Vorerst versuchte ich mein Glück mit Kichererbsen, um die großen Rotaugen und Rotfedern, auf die ich es abgesehen hatte, besser rausfiltern zu können. Nach einigen Fehlbissen entschied ich mich doch auf Maden umzusteigen, die einen sicheren Sitz des Hakens bei weitem besser gewährleisteten als die relativ harten Kichererbsen. Kurze Zeit später tauchte der Crystal Waggler das erste Mal ab und ich konnte ein schönes 25er Rotauge als ersten Fang an der Matchrute verbuchen. Na das konnte sich sehen lassen. Fast hatte ich bereits vergessen welchen Spaß der Drill guter Weißfische mit einer 10g feinen Rute machte. Und so fing ich Rotaugen, Rotfedern, Lauben, Flußbarsche und hin und wieder einen der nordamerikanischen Einwanderer, den Sonnenbarsch. Ich war glücklich und fing weiter. Bis der erste Morgensportler und Gesundheitsfanatiker 10m neben mir am Gewässer auftauchte. Der etwa 70jährige machte ächzend und keuchend Verrenkungen und Dehnungsübungen und würdigte mich keines Blickes, obwohl ich ihn lautstark mit einem "Guten Morgen" begrüßte. Und nun zog er sich die Schuhe aus. Nein das würde er nicht wagen. Und sein T-Shirt folgte. Ich ahnte bereits Schlimmes. Hatte der Greis tatsächlich vor jetzt direkt neben mir einen Schwimmversuch zu wagen? Ja er hatte. Und nein , er ging nicht langsam ins Wasser, sonden katapultierte seinen ausgemergelten Körper mit einem lächerlichen Kopfsprung in die Fluten. Jetzt war erstmals Schluß mit meiner Fangserie und die lebende Mumie kraulte wie Jonny Weissmüller in seinen besten Zeiten quer über meinen Futterplatz und ließ somit jedes Weiterfischen zu einer Sinnlosigkeit entarten. Also biss ich mir auf die Lippen, holte die Match-u. Hechtmontage aus dem Wasser und rauchte mir eine Zigarette an um die Zeit sinnvoll zu überbrücken. Rauchend beobachtete ich den Greis wie er seine Runden drehte und im meinem geistigen Auge sah ich genußvoll wie armlange Blutegel sich an den schwimmenden Körper hefteten und ihm den letzten Lebenssaft aus den Adern zogen, wie meterlange Hechte ihm das Fleisch von den Waden rissen und Tentakelmonster ihn in die Tiefe zogen. Nach ca. 20min hatte er genug und verließ das Wasser um sich mit einem dämlichen Grinsen und einem süffisanten "Rauchen ist ungesund, junger Mann" von mir zu verabschieden. Endlich war er weg und ich konnte abermals mit dem Fischen beginnen. Also Laube wieder neben die Seerosen, ein paar Futterbälle erneut ausgebracht, 3 Maden an den Haken und der Spaß ging nach 10 Minuten wieder los. Rotaugen, Lauben, Barsche. An der Hechtpose rührte sich leider nichts. Wieder wurde der Waggler an der Match in die Tiefe gerissen und beim Anschlag schon spürte ich den Unterschied. Nein das war keine Laube und auch kein Rotauge. Wenn doch, würde ich gleich den Rotaugen-Weltrekord gebrochen haben. Der Drill gestaltete sich als äußerst interessant, da der Bursche am anderen Ende ordentlich Gas gab. Kurze Zeit später konnte ich meinen ersten Aitel (Döbel) dieses Jahres in den Kescher zwingen. Der Kamerad war mit guten 40cm ein herrliches Exemplar, ich hakte ihn ab und gab in zurück in den Unterfänger, den ich ins Wasser hängte um die Digitalkamera hervorzugraben. Nun hatte ich endlich meinen ersten guten Aitel und ich freute mich bereits auf das Ansehen der Fotos daheim vor meinem PC. So platzierte ich die Kamera, nahm den Aitel aus dem Kescher und wollte den Selbstauslöserknopf betätigen um vor der Kameralinse gemeinsam mit meinem Fang zu posieren. Genau in diesem Moment zappelt mir der Bursche aus der Hand, hüpft Richtung Uferböschung und verschwindet im dichten Grün der Unterwasserwelt. Neeeeeeeeeeeiiiiiiiiin. Deja Vue. Ich wurde unweigerlich an den Machaca in Costa Rica erinnert. Jetzt war ich auf den Aitelgeschmack gekommen und wechselte von Maden auf kleinen Mistwurm, stellte die Montage etwas höher und bugsierte den Waggler erneut über meinen Futterplatz. Mittlerweile war es 8:30, und da sich bis jetzt nichts an der Hechtmontage gerührt hatte, obwohl ich diverse Köderfische ausprobiert hatte, entschloß ich mich die Hechtrute einzupacken und mich nur mehr auf die Matchrute zu konzentrieren. Die guten Morgenstunden waren sowieso vorbei. Nun wurde erneut eine Zigarette angezündet um auf den nächsten Biss zu warten. Plötzlich tänzelte der Drennan Waggler um sogleich vehement abzutauchen. Ein herrliches 26er Rotauge hatte den Wurm genommen und wurde nun wieder vom Haken gelöst um wieder in die Freiheit entlassen zu werden. Neuer Mistwurm angeködert und abermals raus, punktgenau über den Futterplatz. Die Montage tauchte ein und ... kam nicht mehr in die Höhe. Ich dachte an einen Hänger und machte ein paar Kurbelumdrehungen, um neuerlich überrascht zu werden. Wie von der Tarantel gestochen begann der vermeintliche Hänger mir meterweise Schnur von der kleinen Shimano Catana runterzuziehen. Uhhhhh. Das sah nach Karpfen aus. Nach etwa 50 Metern entschied sich mein Widersacher nun stehenzubleiben und ich begann vorsichtig zu pumpen. Meter für Meter gewann ich Schnur zurück und plötzlich schoß der Bursche einen Meter aus dem Wasser. Ich traute meinen Augen nicht. Esox Lucius - Hecht! Stundenlang hatte ich versucht einen dieser Räuber mit einem totem Köderfisch zu erwischen und nun hatte der 65 bis 70cm große Vertreter der Unterwasser-Predatoren einen stinknormalen, vielleicht 5cm großen Mistwurm genommen. Mit einer 0,18er Mono und ohne Stahl-oder Kevlarvorfach konnte man unter normalen Umständen keinen Hecht landen und etwa 7m vom Ufer entfernt passierte dann das fast Unvermeidbare. Meister Esox machte einen Turn und die Schnur erschlaffte. Abgebissen. Wie konnte man soviel Pech auf einmal haben...meine Stimmung war unter dem Nullpunkt. Ich zog ein neues Vorfach auf und begann neuerlich den Futterplatz zu bearbeiten. Dann tauchte am gegenüberliegenden Ufer ein circa 40jähriger Mann mit einem achso lieben Golden Retriever auf. Und der Mann hatte einen dicken Ast in der Hand. Ich ahnte abermals Fürchterliches und wurde nicht enttäuscht. Er warf. Der meterlange Ast durchschlug gezielt vielleicht 50cm neben meinem Crystal Waggler die Wasseroberfläche und der Hund sprang nach. Nun hatte ich endgültig genug und der Hundefreund am anderen Ufer erntete verbal meinen ganzen aufgestauten Frust der letzten Stunden. Roh, unverblümt, ehrlich und gnadenlos. Der zielsichere Herr wußte sofort, daß er besser keine dumme Antwort gab und verzog sich murrend samt Hund in die Wälder. Vorerst war natürlich wieder mal Ruhe am Futterplatz und ich wechselte wieder auf Maden. Mittlerweile war es 9:40 und die Sonne knallte mir bereits mit unvorstellbarer Härte auf den Nacken. Bis 10Uhr wollte ich bleiben, da es schön langsam unerträglich heiß am Wasser wurde. Endlich tauchte die Pose erneut ab und ich konnte noch eine schöne dunkle ca. 2pfund schwere Karausche auf meinem Fangkonto verbuchen. Jetzt zog ich auch den Schlußstrich für die heutige Angelsession und packte mein Tackle. Wieder war es ein herrlicher wenn auch etwas glückloser Tag am Wasser und das Einzige was wie meistens meine Stimmung trübte, waren wieder mal die Menschen die unser Anglerleben so schwer machten. Was hatten wir Angler ihnen getan? Warum macht es Menschen so viel Freude uns den Fang zu vermiesen? Ich habe dafür keine Erklärung parat, außer vielleicht ... Boshaftigkeit? Dummheit? Einfältigkeit? Neid? Wer weiß das schon...
tight lines
sludgE